Links überspringen

Digitale Transformation der betrieblichen Mitbestimmung

Durch die digitale Transformation ergibt sich für nahezu alle Betriebsräte und Arbeitgeber ein neues Handlungsfeld im Kontext der betrieblichen Mitbestimmung. In diesem Zusammenhang hat die Hans-Böckler-Stiftung einen lesenswerten Beitrag zur „Mitbestimmung der Zukunft“ veröffentlicht, den wir allen interessierten ans Herz legen können. Basierend auf unserer vielschichtigen Praxiserfahrung sollen in diesem Blogbeitrag drei Kernbotschaften aus der Veröffentlichung der Hans-Böckler-Stiftung in den Fokus gestellt werden.

Die digitale Transformation ist ein Balanceakt

Die betriebliche Mitbestimmung steht für das demokratische betriebliche Gestaltungs­prinzip unserer sozialen Marktwirtschaft. Dabei ergibt sich durch die digitale Transformation mehr denn je, unterschiedliche Interessen zu vermitteln, Widersprüche zu adressieren, sowie Zielkonflikte und Spannungen zwischen individuell Beschäftigtem und der Organisation zu managen. Es erfordert einen Balanceakt zwischen Technologie, Organisation und dem individuellen Menschen.

 

Auf Basis der gewonnenen Erkenntnis darüber, welche digitalen Technologien in den Unternehmen bereits heute eingesetzt und welche Erfahrungswerte damit gesammelt wurden, können die Betriebsparteien ableiten, welche Auswirkungen neue Technologien auf Arbeits­prozesse, Arbeitsbedingungen, Qualifizierung und Beschäftigungen haben.

Ein kooperativer Diskurs unter Einbeziehung der Mitarbeiterperspektive

Die Digitalisierung der Unternehmen ist nicht nur für Betriebsräte sondern gleichermaßen auch für Arbeitgeber Neuland. Erfahrungswerte im Umgang mit komplexen Digitalisierungsvorhaben liegen meist kaum bis gar nicht zu Beginn des Einführungsprozesses vor. Daher suchen oftmals Arbeitgeber und Arbeitnehmervertreter zeitgleich nach Orientierung, wenn es darum geht, welche technischen Lösungen sinnvoll sind und mit welcher Geschwindigkeit sie vorangetrieben werden sollen oder müssen. Hinzu kommt, je nach Branche und Tätigkeitsschwerpunkt, dass auch die Mitarbeiter verunsichert sind, wenn es um die Einführung von digitalen Technologien und deren Folgen für das eigene Arbeitsumfeld geht.

Den Betriebsparteien kommt daher eine verantwortungsvolle Rolle bei der Einführung von digitalen Technolo­gien zu. Für die Betriebsräte gilt es mehr denn je mit ihrem Blickwinkel, ihrer Expertise und ihrer engen Beziehung zu Kolleginnen und Kollegen Einfluss zu nehmen. Dabei stellt sich im Zuge der Digitalisierung eine fokussierte Beteiligung der Mitarbeiter als eine Schlüsselkompetenz erfolgreicher Gremien heraus. Aber auch die Arbeitgeber sind vermehrt an der Perspektive oder besser gesagt an den Perspektiven der Mitarbeiter interessiert, um die Akzeptanz und den Erfolg von Digitalisierungsvorhaben zu steigern.

Handlungsfelder für moderne Betriebsrats-Gremien

Mit Blick auf die digitale Transformation gibt es weder für die Betriebsräte noch für die Arbeitgeber eine allgemeingültige Blaupause zum Umgang mit den vielfältigen Fragestellungen im Kontext der betrieblichen Mitbestimmung. Es gilt stets, die individuellen betrieblichen Belange zu berücksichtigen. Betriebsräte sind dabei gut beraten, sich zur Gestaltung der digitalen Transformation proaktiv aufzustellen und mit der Thematik auseinanderzusetzen. Dazu gehört:

Know-How aufbauen und externe Experten einbeziehen

Kein Themenfeld wie die Digitalisierung entwickelt sich in einer derartigen Geschwindigkeit. Was heute noch als gesicherte Information beispielsweise im Umgang mit Softwarelösungen wie z.B. Microsoft 365 gilt, ist morgen schon überholt. Betriebsräte müssen ihre Kompetenzen im Umgang mit Digitalisierung oder NewWork kontinuierlich ausbauen, um auf Augenhöhe aktiv gestalten zu können. Hierzu empfiehlt sich auch ein schlagkräftiges Netzwerk an Experten bzw. Sachverständigen aufzubauen. Auch hat sich in der Praxis die Hinzuziehung eines gemeinsamen Experten als Prozessbegleiter und Sachverständigen durch Arbeitgeber und Betriebsrat vielfach bewährt. Wir nennen diesen Ansatz „Mitbestimmungslotse“.

Gremien, Ausschüsse und Strukturen anpassen

Die vielfältigen Fragestellungen im Kontext der betrieblichen Mitbestimmung werden häufig thematisch sortiert und bearbeitet. Beispielsweise Fragen der Arbeitssicherheit im Ausschuss für Arbeitssicherheit oder wirtschaftliche Belange im Wirtschaftsausschuss. Aber wie verhält es sich mit dem Thema der Digitalisierung? Ist hier der IT-Ausschuss der richtige? Nun, in vielen Fällen beobachten wir genau diese Zuordnung, die keineswegs falsch ist. Jedoch der Komplexität meist nicht ausreichend gerecht wird. Nehmen wir beispielsweise die Einführung eines neuen Mitarbeitermanagementsystems / HCM wie Workday. Nur selten wird in Unternehmen „nur“ die Software eingeführt. Gleichzeitig kommt es zu Anpassungen der einschlägigen HR-Prozesse wie Mitarbeitergespräch, Beurteilungsgrundsätze, Lernmanagement oder Vergütungsprozesse. Hinzu kommt, dass im Zuge der Einführung die generelle Organisation der Personalarbeit erfolgt und Führungskräfte sowie der einzelne Mitarbeiter stärker einbezogen werden soll (Stichwort Self-Service).

Sind alle diese mitbestimmungsrelevanten Fragestellungen durch den IT-Ausschuss zu bearbeiten? Häufig reicht das vom Gremium ausgesprochene Mandat hierzu nicht aus. Die Erfahrung hat gezeigt, dass Digitalisierung nicht als ein abgeschlossenes fachliches Thema sondern vielmehr als crossfunktionale Fragestellung verstanden werden sollte. Am Beispiel Workday hat sich beispielsweise bewährt hier einen gesonderten crossfunktionalen Ausschuss einzuberufen der mit einem zuvor klar definierten Mandat und abgestimmten Meinungsbildungsprozess durch das Gremium agieren kann.

Betriebspartnerschaft – Zusammenarbeitsmodell zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber eindeutig definieren

Häufig erscheint der Mitbestimmungsprozess und die Grundprinzipien der Zusammenarbeit, insbesondere bei der Einführung von neuen und zumeist auch komplexen Software-Lösungen für die Betriebsparteien wie eine Black-Box. Die Digitalisierung verlangt von allen Beteiligten klare und eindeutige Prinzipien die Interpretationsspielräume oder Intransparenz auf ein Minimum reduzieren. Hier hat sich in der Praxis insbesondere der Ansatz einer sogenannten Vorgehensvereinbarung bewährt. Damit werden u.a. die Prinzipien von „Frühzeitig und Umfassend“ nicht nur eingefordert sondern im Vorfeld explizit definiert.

Technologie selbst einsetzen und anwenden

Digitalisierung fühlt sich häufig zunächst als abstrakt oder fremd an. Das ist nicht ungewöhnlich. Jedoch sollte von Beginn an eruiert werden, inwieweit schnellstmöglich praktische Erfahrungswerte und Eindrücke gesammelt werden können. Eine bemerkenswerte Erfahrung haben beispielsweise Betriebsrat und Arbeitgeber gemacht, als sie in Zeiten von COVID-19 zwangsläufig über Microsoft-Teams gemeinsam Regelungsinhalte zur Einführung und Umgang genau dieser Softwarelösung erarbeitet haben. Sicherlich nicht ein typisches Vorgehen. In der Praxis hat sich jedoch gezeigt, dass mittels definierter „Experimentierräume“ und „Laborvereinbarungen“ durch praktische Anwendung vielfältige Erfahrungswerte gesammelt werden können – für das Gremium und den Arbeitgeber. Darüberhinaus kann die Anwendung moderner digitaler Technologien auch innerhalb des Gremiums (z.B. Kollaborations-Tools) die Auseinandersetzung mit der Thematik fördern.

Das Interesse an moderner IT-Mitbestimmung in Zeiten der digitalen Transformation ist geweckt? Das Team von Betriebsdialog unterstützt Sie gerne auf dem Weg zu einer kooperativen Mitbestimmung. Kontaktieren Sie uns unverbindlich für einen Kennenlerntermin.