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Checkliste Softwareeinführung und Digitalisierung in der Cloud: Wie Betriebsrat und Arbeitgeber eine Betriebsvereinbarung schaffen – und wie nicht!

Nicht nur die Einführung moderner Personal Management Systeme (HCM) im Speziellen führen Arbeitgeber und Betriebsräte immer wieder vor Herausforderungen, sondern im Allgemeinen die Integration einer neuen Software und Vorhaben der Digitalisierung. Stolpersteine findet man meist in diesen drei Dimensionen: Die Software entspricht einer „technischen Einrichtung“ nach § 87 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), die Berücksichtigung der neuen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in Bezug auf die Verarbeitung von Beschäftigtendaten sowie die Mitbestimmung des Betriebsrates auf vielfältigen Prozessebenen.

Dieser Artikel gibt Betriebsräten und Arbeitgebern eine jederzeit individualisierbare Checkliste an die Hand, um eine kooperative Vereinbarung für eine erfolgreiche Einführung einer neuen Software in der Cloud zu erarbeiten.

Abstimmung im Betriebsrat: Aus der Pflicht eine Chance machen!

Ist, oft nach langwierigen Gesprächen, endlich die Projektfreigabe vom Management erteilt und der Investantrag genehmigt, um einzelne Prozesse mit Hilfe einer neuen Software zu digitalisieren und zu vereinfachen, lässt bei der Projektleitung meist die Euphorie nach. Die nun anstehende Abstimmung mit dem Betriebsratsgremium wird nicht selten als aufwendig angesehen. Dabei ergeben sich hieraus meist elementare Fragestellungen, die ein Projektteam in einem Betrieb ohne Betriebsrat mitunter erst zu spät beantworten kann. Aber auch auf Seiten des Gremiums bringt die Einführung von Softwarelösungen in der Cloud eine intensive und nicht immer einfache inhaltliche Auseinandersetzung mit sich. Doch auch hier besteht gerade dadurch eine Chance die Digitalisierung und die Entwicklung des Unternehmens proaktiv mitzugestalten. Die Abstimmung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ist also nicht nur rechtlich erforderlich, sondern auch inhaltlich für beide Betriebsparteien sinnvoll.

Nutzen Sie die betriebliche Mitbestimmung als „Leitplanke“, um das Projekt nachhaltig zum Erfolg zu bringen. Die nachfolgende Checkliste zeigt die häufigsten Stolpersteine bei Digitalisierungsprojekten und erläutert, wie Arbeitgeber und Betriebsrat diese lösen.

Checkliste: So vereinbaren Arbeitgeber und Betriebsrat erfolgreich die Softwareeinführung in der Cloud

  1. Frühzeitig (in der Planungsphase) informieren

Der Zeitpunkt, wann der Betriebsrat gemäß § 80 BetrVG „rechtzeitig und umfassend“ informiert werden sollte, befindet sich bereits in der Vorplanungsphase und insbesondere noch bevor von Arbeitgeberseite Verträge mit externen Dienstleistern geschlossen werden (siehe auch § 90 BetrVG). Ein verzögertes Handeln führt zu unnötigen Diskussionen und die Beziehungsebene leidet, was eine weitere kooperative Zusammenarbeit behindert. Ist die Software bereits Konzernweit über die Konzernmutter gekauft worden, gilt es diese Information sowie dessen Auswirkung ganz zu Beginn der Gespräche gemeinsam zu beleuchten.

  1. Eine klare Zieldefinition formulieren

„Weil wir eine neue Software einführen wollen“ reicht nicht als Begründung für den gesamten Aufwand und die Investition in die Softwareeinführung in der Cloud. Beschreiben Sie als Arbeitgeber klar und verständlich das Ziel der Digitalisierung bzw. Systemeinführung. Was soll sich dadurch ändern? Was wird sich nicht ändern? Warum betreiben Sie diesen Aufwand? Was sind die verfolgten Interessen die mit der technischen Softwareeinführung einhergehen?

  1. Funktionsumfang der Software klar beschreiben

Dem Betriebsrat einfach nur die allgemeine Herstellerbeschreibung der Software vorzulegen, reicht nicht. Versuchen Sie möglichst genau die Funktionen besser Geschäftsprozesse aufzulisten, die tatsächlich unternehmensspezifisch genutzt werden sollen. Es hilft, wenn die Betriebsparteien sehr frühzeitig ein gemeinsames Verständnis zum beabsichtigen Funktionsumfang erhalten. Gegebenenfalls hilft es, diese visuell darzustellen. In agilen Projektvorhaben kann jedoch der Scope zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollständig skizziert werden. Gerade dann muss hierzu Transparenz aufgebaut werden. Wie sollen im Projektverlauf der Umfang und die Ausgestaltung der Software definiert werden? Oftmals empfiehlt es sich dieses Vorgehen gemeinsam zwischen den Betriebsparteien zu vereinbaren.

  1. Regeln Sie den Umgang mit Erweiterungen von Funktionen

Gerade hat man noch die erforderlichen Geschäftsprozesse aufgelistet und definiert, nun soll man sich über Änderungen und Erweiterungen Gedanken machen? Ja, weil diese unweigerlich kommen – beispielsweise in Form von Updates. Gut möglich, dass Sie heute alle Funktionen definiert haben und morgen ein Update der Software verfügbar ist. Vereinbaren Sie Regelungen, wie und wann die Änderungen kommuniziert bzw. umgesetzt werden und/oder in welchem Umfang Sie Anpassungen situativ entscheiden. Wichtig ist auf jeden Fall, dass eine Vorgehensweise im Vorfeld gemeinsam definiert wurde.

  1. Denken Sie an die Datenschnittstellen

Wo, wie und wann werden welche Daten mit Drittsystemen ausgetauscht? Wie werden Daten importiert und exportiert? Eine transparente Darstellung, eventuell auch visuell wie beispielsweise eine „Schnitstellenlandkarte“, sorgt für klare Verbindlichkeiten.

  1. Excel oder Cloud: Denken Sie an den Datenschutz!

Beim Thema „Cloud“ sieht der Erfahrungsschatz in den Betrieben nach wie vor divers aus. In vielen Unternehmen greift man was die Datenverarbeitung und -haltung angeht, nach wie vor gerne auf dezentrale Excel-Tabellen zurück. In der Praxis führen derartige Schattendatenbanken jedoch zu immensen datenschutzrechtlichen Risiken: Wer hat Zugriffsrechte? Stichwort: Rollen- und Rechtekonzept. Wie kann die Datenverarbeitung verfolgt werden? Arbeitgeber und Betriebsrat sollten sich bewusst machen, wie die aktuelle Situation diesbezüglich in ihrem Unternehmen aussieht und aktiv mit der Möglichkeit befassen, Daten künftig in standardisierten Prozessen an einem Ort in der Cloud datenschutzkonform zu speichern und zu bearbeiten. Darüberhinaus ist es erforderlich in jedem Fall das Verzeichnis von Verarbeitungstätigkeiten (VVT) zu aktualisieren und bei Bedarf eine Datenschutz-Folgenabschätzung (DSFA) durchzuführen. Beides wiederum basiert auf einem insbesondere im Cloud-Kontext notwendigen Auftragsverarbeitungsvertrag (AVV) mit dem Software-Dienstleister. Ferner gilt es ein entsprechendes „Löschkonzept“ zu erstellen sowie geeignete Technisch-organisatorische Maßnahmen (TOMs) zu treffen.

  1. Nutzung von Live-Daten

Die Verarbeitung personenbezogener Beschäftigtendaten bedarf einer Rechtsgrundlage. Art. 88 DSGVO (inkl. Erwägungsgrund 155) sowie § 26 BDSG (Datenverarbeitung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses) ermöglichen als wesentliche Vorschriften den Abschluss von Betriebsvereinbarungen, die als Rechtsgrundlage den Datenschutz am Arbeitsplatz regeln und die Verarbeitung von Beschäftigtendaten erlauben können. Wer Echtdaten vor dem Abschluss der Betriebsvereinbarung in der neuen Software einpflegen und verarbeiten möchte, muss aus datenschutzrechtlichen Gründen eine separate Vereinbarung bzw. Rechtsgrundlage gemäß Artikel 6 EU-DSGVO sicherstellen. In beiden Fällen gilt § 87 Abs.1 Nr. 6 BetrVG als Herzstück im Sinne der Betrieblichen Mitbestimmung: Es geht darum ob und in wie weit die Software genutzt werden darf, um das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. In der Praxis wird hier zumeist ein genereller Ausschluss in Kombination mit einer „Positivliste“ zulässiger Auswertungen vereinbart.

  1. Definieren Sie eine System- und Projektsprache

Sprache sorgt für viele Missverständnisse, insbesondere wenn keine einheitliche Sprache für ein Projekt wie die Softwareeinführung und die Nutzung selbiger definiert wird. Um Unklarheiten zu vermeiden, wählen Sie am besten Deutsch als Projektsprache. Wenngleich Englisch von vielen Menschen gesprochen wird und die Projektsteuerung und -Dokumentation in Englisch erfolgt: Je komplexer das Projekt und spezifischer die Fragenstellungen sind, umso kompliziert kann die Unterhaltung in einer Fremdsprache werden.

  1. Kommunizieren Sie, wer der Ansprechpartner ist

Für den Projekterfolg ist es wichtig, von Arbeitgeberseite einen Ansprechpartner zu bestimmen. Dieser sollte für das Projekt einstehen und über die Kompetenzen verfügen, verbindliche und verlässliche Zusagen sowie Vereinbarungen mit dem Betriebsrat zu machen – sowohl formell als auch informell. Ist das Projekt abgeschlossen und die Software im Betrieb, sollte im Vorfeld bereits eindeutig geregelt sein, wer nach dem Projekt Ansprechpartner für den Betriebsrat (im Sinne der Kontrollrechte) aber auch für die Mitarbeiter im Sinne eines Supportkonzeptes ist. Insbesondere bei den Systemadministratoren, sollte darauf wert gelegt werden, dass eine arbeitsvertragliche Verpflichtungserklärung und Vertraulichkeitserklärung im Hinblick auf die vielfältig verarbeitete personenbezogenen Beschäftigtendaten der Kollegen:innen geschlossen wird.

  1. Gefährdungsbeurteilung

Mit der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) hat der Gesetzgeber eine Rechtsgrundlage geschaffen, dass von der Arbeitsstätte keine Gefährdung für die Beschäftigten ausgeht und verbleibende Gefährdungen möglichst gering gehalten werden. Im Hinblick auf Softwareeinführung und Digitalisierung spielt hier u.a. die Softwareergonomie eine tragende Rolle. Bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung nach § 3 ArbStättV sollte ein Fokus insbesondere auf den Maßnahmen zur Gestaltung von Bildschirmarbeitsplätzen (Anhang Nr. 6 der ArbStättV) liegen

  1. Meinungsbildungsprozess im Betriebsrat

Auf Betriebsratsseite gilt es transparent darzustellen, wer am Meinungsbildungsprozess teilnimmt und wie dieser erfolgt, etwa durch Bildung eines Fachausschusses. Definieren Sie auch im Gremium die Rollen von Gesamtbetriebsrat und lokalen Betriebsräten, wann und wie die Kommunikation mit dem Fachausschuss stattfindet.

  1. Kontrollrechte des Betriebsrates vereinbaren

Macht der Arbeitgeber überhaupt das, was vereinbart wurde? Vereinbaren Sie im Vorfeld Regelungen für die Kontrollrechte des Betriebsrates. Eine Empfehlung aus der Praxis: Der Betriebsrat prüft jederzeit bei Bedarf gemeinsam mit einem internen systemsachkundigen Kollegen uneingeschränkt die Konfiguration und Protokolle der Software. Bei Bedarf und Erforderlichkeit kann nach näherer Vereinbarung zwischen den Betriebsparteien ein externer Sachverständiger gemäß § 80 Abs. 3 BetrVG hinzugezogen werden.

  1. Befähigung- und Kommunikationskonzept

Ist der technische Teil des Projektes geklärt, ist es ebenso wichtig sich über die meist weicheren Faktoren wie die Befähigung der zukünftigen User, als auch über das generelle Kommunikationskonzept zu unterhalten. Im Kontext der betrieblichen Mitbestimmung gilt es hier insbesondere die Beteiligungsrechte der §§ 96 – 98 BetrVG zu beachten.

Schaffen Sie ein gemeinsames Fundament

Die Checkliste unterstützt Betriebsrat und Arbeitgeber, eine lösungsorientierte und kooperative Vereinbarung zu treffen, um das Projekt erfolgreich zu realisieren und gleichzeitig Verzögerungen durch Unklarheiten zu vermeiden. Voraussetzung für ein solches Vorgehen ist eine gemeinsame Grundlage und ein gemeinsames Verständnis der rechtlichen Rahmenbedingungen und Beteiligungsrechte nach dem Betriebsverfassungsgesetz.

Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass eine initiale Tandemschulung beider Betriebsparteien hierzu dienlich ist und diese Grundlage vermitteln kann. Ferner ist es ratsam, wenn Betriebsrat und Arbeitgeber bei Überlegungen und Gesprächen mitarbeiterorientiert denken – also die praktische Anwendung der Software im Betriebsalltag und ihre Vorzüge für die Zukunft im Blick behalten. Produktiver und erfolgreicher lässt sich ein Projekt realisieren, wenn die „politische, lagerorientierte Denkweise“ vernachlässigt wird und man stattdessen ernsthaft kooperativ zusammenarbeitet.

Vor diesem Hintergrund empfiehlt sich gerade bei komplexeren und umfangreicheren Digitalisierungs- und Softwareprojekten das gemeinsame Vorgehen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat nicht nur zu besprechen sondern auch formell als „Vereinbarung des Vorgehens im Projekt und Zusammenarbeit der Betriebsparteien“ zu dokumentieren.

Stehen auch Sie vor der Herausforderung eine Betriebsvereinbarung für ein neues oder bestehendes System abzuschließen? Wir unterstützen beide Betriebsparteien auf dem Weg zu einer gemeinsamen, sinnvollen, fair ausgewogenen und nachhaltigen Regelung als Mitbestimmungslotse, Gutachter und Sachverständiger gemäß § 80 Abs. 3 BetrVG. Kontaktieren Sie uns gerne für einen unverbindlichen Kennenlerntermin.