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Demographischer Wandel und Verbreitung der betrieblichen Mitbestimmung: Zukunft sichern durch nachhaltiges Nachfolgemanagement

Die betriebliche Mitbestimmung in Deutschland steht vor einer entscheidenden Weichenstellung. Die Betriebsratswahlen 2026 haben das Potenzial, nicht nur eine Neuausrichtung der Gremien zu bewirken, sondern auch langfristige Lösungen für die Herausforderungen des demografischen Wandels und der sinkenden Attraktivität des Ehrenamts zu etablieren. Doch wie kann ein effektives Nachfolgemanagement aussehen, und welche Rolle spielen Arbeitgeber und Betriebsräte gemeinsam bei der Zukunftssicherung?

Die Herausforderungen der betrieblichen Mitbestimmung

Die Zahl der Betriebsräte in Deutschland ist rückläufig – und das aus mehreren Gründen. Neben strukturellen Hemmnissen auf Unternehmensebene spielen auch gesellschaftliche Veränderungen eine wesentliche Rolle. Besonders gravierend ist der demografische Wandel: Die Babyboomer-Generation geht in Rente, und fast 40 % der derzeit amtierenden Betriebsräte scheiden in der kommenden Amtsperiode altersbedingt aus. Gleichzeitig mangelt es an Nachwuchs, da jüngere Generationen weniger Vertrautheit mit der Betriebsratstätigkeit haben und individuellen Karrierezielen oft Vorrang geben. Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) existiert in nur 7 % der Betriebe eine betriebliche Interessenvertretung auf Basis des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG). Zudem werden nur 36 % der Beschäftigten in diesen Betrieben durch Betriebsräte vertreten (Quelle: IW Report).

Rückgang der Betriebsratsgremien und schwindende Attraktivität des Ehrenamts

Der Rückgang der Betriebsratsgremien in Deutschland ist ein alarmierender Trend, der durch verschiedene Faktoren beeinflusst wird. Neben strukturellen Hemmnissen und veränderten Unternehmensstrategien spielt insbesondere der demografische Wandel eine zentrale Rolle. Die bevorstehende Verrentung der Babyboomer-Generation führt dazu, dass eine große Anzahl erfahrener Betriebsratsmitglieder in den nächsten Jahren ausscheidet. Gleichzeitig gibt es immer weniger Neugründungen von Betriebsräten, was dazu führt, dass die Gesamtzahl der Interessenvertretungen sinkt.

Jüngere Arbeitnehmer zeigen ein geringeres Interesse an der Betriebsratsarbeit, was teilweise auf veränderte Karriereprioritäten und eine mangelnde Vertrautheit mit der Bedeutung von Mitbestimmung zurückzuführen ist. Viele Beschäftigte befürchten zudem, dass ein Engagement im Betriebsrat als Karrierekiller wahrgenommen wird und ihre individuellen Aufstiegschancen beeinträchtigen könnte.
Hinzu kommt, dass Unternehmen zunehmend alternative Vertretungsformen nutzen, um Arbeitnehmerinteressen zu berücksichtigen, anstatt klassische Betriebsräte zu fördern. Diese Entwicklung stellt die Zukunft der betrieblichen Mitbestimmung vor große Herausforderungen. Es bedarf gezielter Maßnahmen, um die Attraktivität des Ehrenamts zu steigern und den Generationswechsel in den Gremien aktiv zu gestalten.

Warum auch Arbeitgeber mit in der Verantwortung stehen

Bisher galt, dass Betriebsratswahlen ausschließlich Sache der Arbeitnehmer sind. Doch das Bundesarbeitsgericht hat mit seinem Beschluss vom 25.10.2017 (Az.: 7 ABR 10/16) klargestellt, dass Arbeitgeber durchaus zur Förderung von Betriebsratsarbeit beitragen dürfen – solange sie keine unzulässige Wahlbeeinflussung ausüben. Ein starkes Betriebsratsgremium kann sogar im Interesse des Unternehmens sein, indem es zur Stabilität der Unternehmenskultur und zur langfristigen Mitarbeiterbindung beiträgt.

Lösungsansätze für ein nachhaltiges Nachfolgemanagement

Um die betriebliche Mitbestimmung zukunftsfähig zu machen, bedarf es gezielter Maßnahmen. Erfolgreiche Strategien lassen sich in drei zentrale Kategorien unterteilen:

1. Maßnahmen auf Unternehmensebene

  • Angebote von Education-Sessions zum Thema „Betriebsrat und Betriebsratstätigkeit“ in Form von Weiterbildungsmaßnahmen (Remote oder Präsenz – gemeinsam von aktiven BR- und HR-Vertretern)
  • Gezielte mediale Kommunikationskampagnen (intern wie extern) in denen von Vorstand / Geschäftsführung klar kommuniziert wird, dass ein aktiver Betriebsrat zur Stärkung der Unternehmenskultur beiträgt und die Mitbestimmung als Wettbewerbsvorteil gesehen wird
  • Angebot von Panels zur Diskussion und Klärung von Fragen was betriebliche Mitbestimmung für das Geschäftsmodell und die Beschäftigten bedeutet
  • Die Förderung der Betriebsratsarbeit könnte als Teil der Employer-Branding-Strategie genutzt werden. Ein Unternehmen, das Mitbestimmung wertschätzt, wird zudem als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen
  • Konsequente Einbettung und „Anteasern“ der „BR-Wahl 2026“ als Happening über das aktiv gesprochen werden darf und soll

2. Maßnahmen auf Gremiumsebene

  • Attraktive Rollenvermarktung der Aufgabe eines BR-Mitglieds mittels Entwicklung von Guerilla-Marketing Maßnahmen wie Erstellung von eigenen Job-Description Plakaten oder Ausschreibung auf der internen Karriereseite*
  • Angebot von Hospitations-Sitzungen im Gremium, anhand dessen den Interessierten die Tätigkeit innerhalb der Black-Box erläutert und vorgestellt wird
  • Etablierung von hochwertigen Onboarding-Programmen (vgl. mit Führungskräfteentwicklungsprogrammen) für neue BR-Mitglieder bzw. Vorsitzende. Dies beinhaltet ein unternehmensspezifisches Curriculum zur Befähigung erforderlicher Selbst-, Fach-, Methoden und Sozialkompetenzen (externe und interne Formate) – als auch respektvolles Offboarding-Prozedere
  • Festlegung einer Qualifizierungsmatrix von Grundlagenkompetenzen für alle aktiven BR-Mitglieder
  • Erfahrene Betriebsratsmitglieder als auch Führungskräfte könnten neue Mitglieder mittels Mentoring-Programmen unterstützen, um einen besseren Einstieg und eine schnellere Integration zu ermöglichen.
  • Professionelle Teambuilding-Maßnahmen und Netzwerke zur Förderung des Teamgeistes und Schaffung eines attraktiven Umfelds, in dem sich die Mitglieder wohlfühlen.

*Keine echte Stellenausschreibung

3. Maßnahmen auf individueller Ebene

  • Freigestellte BR-Mitglieder (sind auch Mitarbeiter)
    • Spezielle Personalentwicklungsangebote zur ehrenamtsbegleitenden Weiterqualifizierung im eigentlichen Berufsfeld
    • Etablierung von Selbsteinschätzungs- und Beurteilungssystemen (z.B. 360 Grad Feedback) ggf. rein extern abgebildet (i.s.d. Managementdiagnostik)
    • Off-Boarding und Eingliederungsverfahren im Falle eines Ausscheidens oder Nicht-Freigestellten Mitglieds
  • Nicht-Freigestellte BR-Mitglieder
    • Transitions- und Onboarding-Programme in die Freistellung
    • Clearing-Prozesse bei Interessenskonflikten => Ehrenamt vs. Eigentlicher Job
    • Förderung des Modells „Betriebsrat auf Zeit“ 

Betriebsratsarbeit als Karrierechance

Betriebsratsarbeit sollte nicht als Hindernis für die berufliche Entwicklung, sondern als Sprungbrett für Führungskompetenzen betrachtet werden. Unternehmen können dies unterstützen, indem sie die Tätigkeit in Personalentwicklungsmaßnahmen integrieren und klare Perspektiven für engagierte Betriebsratsmitglieder schaffen.
Ein nachhaltiges Nachfolgemanagement erfordert vorausschauende Planung, Ressourcen und die Bereitschaft, neue Wege zu gehen. Mit der richtigen Strategie kann betriebliche Mitbestimmung wieder als attraktive Option für Arbeitnehmer gestaltet werden – und so langfristig zur Stabilität und Zukunftsfähigkeit von Unternehmen beitragen.

Fazit

Die Zukunft der betrieblichen Mitbestimmung liegt in der gemeinsamen Verantwortung von Arbeitgebern und Betriebsräten. Ein starkes Betriebsratsgremium sichert nicht nur die Interessen der Beschäftigten, sondern trägt zur langfristigen Wettbewerbsfähigkeit und positiven Unternehmenskultur bei. Wer sich frühzeitig mit der Nachfolgeplanung und Förderung des Ehrenamts befasst, wird langfristig davon profitieren. Ihr Interesse ist geweckt? Das Team von Betriebsdialog unterstützt Sie gerne auf dem Weg zu einer kooperativen Mitbestimmung. Kontaktieren Sie uns unverbindlich für einen Kennenlerntermin.