Betriebsvereinbarung und betriebliche Mitbestimmung zum Hinweisgeberschutzgesetz
Mit der auch als Whistleblower-Richtlinie bekannten EU-Hinweisgeberschutzrichtlinie, hat der EU-Rat bereits im Oktober 2019 die Grundlagen für klare Schutzmechanismen für Hinweisgeber geschaffen. Die Bundesrepublik Deutschland wird diese Richtlinie in Form des Hinweisgeberschutzgesetz etablieren. Vergleichbar ist dieses Konstrukt entsprechend der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und dem deutschen Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Arbeitgeber und Betriebsrat sind gefragt geeignete Prozessdefinitionen mittels einer Betriebsvereinbarung zum Hinweisgeberschutzgesetz zu treffen.
Ziele des Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG)
Ziel des zukünftigen Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) wird es sein, Hinweisgeber im Bezug auf das Melden von u.a. Missständen mit Bezug auf EU-Recht, wie etwa Steuerbetrug, Geldwäsche oder Gesetze, Rechtsverordnungen und sonstige Vorschriften des Bundes und der Länder sowie Verbraucher- und Datenschutz explizit zu schützen. Hinweisgeber sind vor Entlassungen, Degradierungen und sonstigen Diskriminierungen zu schützen. Geschützt werden sollen hierbei nicht nur Beschäftigte wie Arbeitnehmer oder Auszubildende, die Missstände melden, sondern auch externe Bewerber, ehemalige Arbeitnehmer oder Unterstützer des Hinweisgebers.
Anforderungen an die internen Meldestellen
Das neue Hinweisgeberschutzgesetz betrifft ab dem 17. Dezember 2021 alle Arbeitgeber, mit regelmäßig über 250 Beschäftigten. Der neu zu bildenden Bundesregierung bleibt daher jedoch nicht mehr viel Zeit, das nationale Gesetz auf den Weg zu bringen; voraussichtlich kommt es sogar erst Anfang 2022 zur Richtlinienumsetzung. Ab 17. Dezember 2023, sind dann auch kleinere Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten verpflichtet, interne Meldestellen zu errichten, welche die eingehenden Meldungen dokumentieren, auf ihre Stichhaltigkeit prüfen und gegebenenfalls Folgemaßnahmen einleiten sollen. Diese Meldestellen können mit internen Arbeitnehmern besetzt oder an externe Dritte delegiert werden.
Umfangreiche Beteiligung des Betriebsrats bei der Umsetzung des Hinweisgeberschutzgesetzes – Betriebsvereinbarung Hinweisgeberschutzgesetz
Zur Umsetzung des zukünftigen Hinweisgeberschutzgesetzes wird es zwingend erforderlich sein, dass der Arbeitgeber entsprechende Prozesse im Unternehmen bzw. Betrieb etabliert und eine sogenannte Meldestelle einführt. Für den Betriebsrat leiten sich in diesem Zusammenhang verschiedenste Beteiligungsrechte ab, die im Folgenden dargestellt werden sollen:
Rechtzeitige und umfassende Unterrichtung (§ 80 BetrVG)
Nach § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend über alles zu unterrichten, was dieser für die Wahrnehmung seiner Aufgaben benötigt. Dies soll dem Betriebsrat ermöglichen, in eigener Verantwortung zu prüfen, ob und wenn ja in welchem Umfang konkrete Beteiligungsrechte bestehen.
Beschwerderecht (§ 84 und 85 BetrVG)
In Betrieben, in denen bereits ein Betriebsrat besteht, haben Arbeitnehmer bereits jetzt unabhängig von der Richtlinie und des Gesetzesentwurfs ein Beschwerderecht nach § 84 und 85 BetrVG gegenüber einer zuständigen Stelle oder dem Betriebsrat. § 84 Abs. 3 BetrVG sieht darüber hinaus ein Benachteiligungsverbot vor. Das Hinweisgeberschutzgesetz ist demnach eine konkretisierte Erweiterung dieses Rechtes.
Fragen der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb (§ 87 Abs. 1, Nr. 1 BetrVG)
„Echte“ Mitbestimmung besteht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG bei „Fragen der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb“. Werden im Zusammenhang mit der Umsetzung des Hinweisgeberschutzgesetzes, bestehende einzelarbeitsvertragliche Hinweispflichten erweitert oder einheitliche Regelungen bezüglich des konkreten betrieblichen Meldeverfahrens eingeführt, so ist das Ordnungsverhalten berührt und der Betriebsrat hat diesbezüglich mitzubestimmen.
Technische Einrichtung (§ 87 Abs. 1 Nr. 6, § 90 BetrVG)
Es ist fest davon auszugehen, dass die Prozessorgansiation der Meldestellen in einer Vielzahl der Unternehmen mittels digitaler Prozess- & Kommunikationssysteme erfolgen wird. Ein Beispiel hierfür ist die Firma EQS Group, die mittels ihrer cloudbasierten Lösung „EQS Integrity Line“ als einer der führenden Anbieter von Hinweisgebersystemen Unternehmen bei der Einführung eines digitalen Meldekanals unterstützt. Da es sich hierbei regelmäßig um eine technische Einrichtung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG handeln wird, werden weitere Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats ausgelöst. In der Praxis ist darauf zu achten, dass entsprechend § 90 BetrVG sich Arbeitgeber und Betriebsrat so rechtzeitig beraten, dass Vorschläge und Bedenken des Betriebsrats bei der Planung zur Einführung der technischen Einrichtung berücksichtigt werden können.
Berufsbildungsmaßnahmen (§ 96 – 98 BetrVG)
Im Zuge der Einführung einer internen oder externen Meldestelle wird es unerlässlich sein, die Arbeitnehmer diesbezüglich zu informieren und und mittels klarer und leicht zugänglicher Informationen zu befähigen. Entsprechend den § 96 – 98 BetrVG ist der Betriebsrat über die Maßnahmen zu unterrichten und der Arbeitgeber ist verpflichtet diese mit ihm zu beraten. Im Hinblick auf die konkrete Durchführung von Maßnahmen kann der Betriebsrat nach § 98 BetrVG mitbestimmen.
Besetzung der Meldestelle (Einstellung und Versetzung, § 99 BetrVG)
Bei der Besetzung der internen Meldestelle kann es ggf. zu Einstellungen oder Versetzungen gemäß § 99 BetrVG kommen. Hieraus ergibt sich eine Beteiligung des Betriebsrates und dieser kann sofern zutreffend und erforderlich von seinen Widerspruchsrechten gebrauch machen. Insbesondere die Versetzung kann eine relevante Rolle spielen, wenn beispielsweise die Aufgaben der Meldestelle bei einer bereits im Unternehmen etablierten Funktion (z.B. Datenschutzbeauftragter) angesiedelt wird. Die Definition einer Versetzung ist § 95 Abs. 3 BetrVG zu entnehmen.
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