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Die betriebliche Einigungsstelle – inhaltliche Lösung oder juristisch geprägte Entscheidung?!

Bei Meinungsverschiedenheiten und Konflikten über mitbestimmungspflichte Angelegenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ist der Gang zur betrieblichen Einigungsstelle (nach § 76 BetrVG) vermeintlich obligatorisch – aber oftmals verfrüht und abwendbar.

Betriebliche Mitbestimmung im Wandel

Generelle Partizipation ist im Beschäftigungsumfeld auf Wachstumskurs. Aufgrund eines gesellschaftlichen Wandels, hin zu einem offeneren Meinungsaustausch, steigt das Grundinteresse an Partizipation und Mitbestimmung. Arbeitnehmer möchten sich zunehmend an Entscheidungen beteiligen und seltener die vom Arbeitgeber diktierten Entscheidungen per se annehmen. Gleichzeitig findet auch in Personalabteilungen und Geschäftsführungen ein Umdenken statt – beflügelt durch den stärker werdenden Arbeitnehmermarkt –, die Interessen der Mitarbeiter vermehrt einzubeziehen. Zudem steigt der Grad an Volatilität, Unsicherheit, Komplexität, Ambiguität (engl. VUCA).

Über die rechtlichen Rahmenbedingungen des Betriebsverfassungsgesetzes hinaus erfordert dies einen gezielten Umgang mit Konflikten, die im Zuge der steigenden Partizipation und Mitbestimmung mehr oder weniger zwangsläufig auftreten (müssen). Unterschiedliche Auffassungen, Meinungen und Interessen sind in der betrieblichen Praxis Normalität und wichtige Faktoren, um Ideen zu entwickeln und Lösungen zu finden. Entscheidend dabei ist: Wie geht man mit unterschiedlichen Meinungen, Beteiligungsrechten und den sich daraus ergebenden Konflikten um?

Die betriebliche Einigungsstelle als internes Schiedsgericht

Für Meinungsverschiedenheiten und Konflikte im betrieblichen Alltag, bei denen Arbeitgeber und Betriebsrat keinen Kompromiss finden, sieht das Betriebsverfassungsgesetz in § 76 BetrVG die Einigung vor der betrieblichen Einigungsstelle vor. Die innerbetriebliche Schlichtungsstelle besteht aus einem unparteiischen Vorsitzenden (extern, z. B. ein Richter) sowie internen und externen Beisitzern (z. B. Rechtsanwälte für Arbeitsrecht) beider Parteien in gleicher Anzahl (paritätische Besetzung).

Als betriebliches Schiedsgericht wird die betriebliche Einigungsstelle zumeist auf Antrag einer Seite eingesetzt. Kommt es im ersten Schritt zu einer freiwilligen Einigung zwischen den Beisitzern, entfällt die Abstimmung innerhalb der betrieblichen Einigungsstelle und die verhandelte Lösung geht den üblichen Weg vor den Betriebsrat.

Der Spruch der Einigungsstelle als Entscheidung

Sind die Verhandlungen der betrieblichen Einigungsstelle erfolglos, stimmen die Beisitzer im ersten Abstimmungsgang ohne den Vorsitzenden ab. Bei Stimmengleichheit wird erneut abgestimmt und der Vorsitzende fasst mit seiner maßgeblichen Stimme einen Spruch. Der Spruch der betrieblichen Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Ein Betriebsratsbeschluss ist hierzu nicht erforderlich. Wenngleich der Spruch vor einem Arbeitsgericht geprüft werden darf, gilt die betriebliche Einigungsstelle als letzte innerbetriebliche Eskalationsstufe.

Durchschnittliche Kosten für die betriebliche Einigungsstelle

Die Wahl des Vorsitzenden der betrieblichen Einigungsstelle ist ungemein wichtig, da seine Stimme im Falle einer nicht freiwilligen Einigung gewichtig ist. Der Vorsitzende sollte daher unbedingt unparteiisch sein – ein Grund, warum in der Regel Richter von z. B. Arbeitsgerichten als Vorsitzende von betrieblichen Einigungsstellen berufen werden. Diese Entscheidung beeinflusst maßgeblich die Kosten für die betriebliche Einigungsstelle. Die Stundenhonorare der unparteiischen Vorsitzenden variieren zwischen 300 und 500 Euro. Von ihrem Honorar sind die Honorare der externen Beisitzer abhängig. Sie erhalten nach aktueller Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ein Honorar in Höhe von 70 % der Vergütung des Vorsitzenden. Hinzukommen ggf. Kosten für Sachverständige.

Kommt die betriebliche Einigungsstelle nur für einen 8-stündigen Einigungsstellentag zusammen, belaufen sich die Gesamtkosten auf rund 10.000 Euro. Diese hat nach § 76a BetrVG der Arbeitgeber zu tragen. Dass eine Einigung innerhalb eines Einigungsstellentages erzielt wird, ist nicht garantiert.

Stärken und Schwächen der betrieblichen Einigungsstelle

Die betriebliche Einigungsstelle gilt als populärer Lösungsansatz und erfährt daher in der betrieblichen Praxis eine große Nachfrage – und das nicht zuletzt aufgrund ihrer Vorteile, wenngleich diese nicht ohne Einschränkungen für Arbeitgeber und Betriebsrat einhergehen.

Die größten Stärken der betrieblichen Einigungsstelle
  • Betriebliche Einigungsstelle ist die juristisch fixierte letzte innerbetriebliche Eskalationsstufe bei Konflikten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
  • Die Betriebsparteien müssen sich zwingend und strukturiert mit dem Thema / Konflikt auseinandersetzen.
  • Spätestens mit dem Spruch der Einigungsstelle wird eine Entscheidung getroffen.
  • Auf diese Weise kann eine Entscheidung im Ernstfall zu beispielsweise innerpolitisch unpopulären oder kritischen Themen an den Vorsitzenden mehr oder weniger delegiert werden. Weder Arbeitgeber noch Betriebsrat müssen sich intern bezüglich der Ergebnisse verteidigen, da die Entscheidung von einem unparteiischen Dritten gefällt wurde.
Einschränkungen bezüglich der betrieblichen Einigungsstelle
  • Verfügbarkeit und Zugang zu themenspezifisch qualifizierten Einigungsstellenvorsitzenden ist eingeschränkt bzw. intransparent.
  • Wahl des Vorsitzenden (z. B. Richter der Arbeitsgerichte) und der Beisitzer (z. B. Juristen) führt in der Regel zu einem stark juristisch geprägten Meinungsaustausch, sodass die inhaltliche Ebene bei Themen und Konflikten vernachlässigt wird.
  • Aus diesem Grund werden die Konflikte oftmals nur punktuell im Rahmen der betrieblichen Einigungsstelle geklärt.
  • Ursächliche Probleme der Konflikte sowie die Beziehungsebene und das generelle Zusammenarbeitsmodell zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber sind häufig nicht Bestandteil der Einigungsstelle. Das macht erneute Konflikte wahrscheinlich.
  • Wirtschaftliches Interesse der externen Helfer am Einsatz und Fortbestand der Einigungsstelle kann einer echten Lösung und dauerhaft vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat im Wege stehen.

Hier stellt sich die Frage: Ist der Aufwand notwendig, um eine Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zu finden? Und: Gibt es Alternativen zur betrieblichen Einigungsstelle, um Konflikte auch tatsächlich inhaltlich und tiefgreifend zu lösen?

Faire und kooperative Lösungen außerhalb der betrieblichen Einigungsstelle finden

Die Gegenüberstellung der Stärken und Schwächen zeigt, dass die betriebliche Einigungsstelle ein sinnvolles Instrument der Einigungs- bzw. Entscheidungsfindung ist. Allerdings gilt es sie mit Bedacht einzusetzen. Oftmals kann man noch Lösungen vor dieser juristisch letzten Eskalationsstufe finden. Das zeigt auch die Praxis. Von Seiten der Arbeitgeber und Betriebsräte besteht der Wunsch nach einem auf der Eskalationsstufe vorgezogenem, alternativem und kooperativerem Lösungsweg.

Die Betriebsparteien erkennen häufig, dass die Ursachen der Konflikte nicht ausschließlich auf juristischer Ebene in der betrieblichen Einigungsstelle zu klären sind. Nicht selten mangelt es im betrieblichen Konfliktumgang an einer strukturierten Kommunikation, einem transparenten Zugriff auf fachliche Informationen bzw. an der Kenntnis über die jeweiligen Interessen und – nicht zuletzt – an der konkreten Umsetzbarkeit in der Praxis.

Externe Hilfe durch moderierenden Fachexperten

Als praxiserprobter Lösungsansatz empfiehlt sich hier eine pragmatische Kombination aus externer Moderation durch einen Fachexperten, kombiniert mit Elementen der Mediation – der Mitbestimmungslotse. Der ausschlaggebende Vorteil liegt im Kern dieses einzigartigen „Schlichtungsinstruments“: Beide Betriebsparteien werden zeitgleich von demselben Fachexperten auf dem Weg zu einer fairen, kooperativen und nachhaltigen Lösung begleitet. Als externe Hilfe kann der Mitbestimmungslotse auf jeder Eskalationsstufe konsultiert werden, was nicht selten zu einer zügigeren und wirtschaftlicheren Entscheidung führt – präventiv zu Beginn eines Vorhabens oder konfliktlösend, wenn Verhandlungen kompromisslos erscheinen.